Freitag, 18. Mai 2007

Zwischen Quasthoff und Kennedy

"An einem Herbsttag des Jahres 1827 lässt Franz Schubert seinen Freunden bestellen: >>Komme heute zu Schober. Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war.<< Als alle versammelt sind, setzt sich der Komponist ans Klavier und singt >>mit bewegter Stimme die ganze Winterreise durch<<, wie Joseph von Spaun berichtet. Der vierundzwanzigteilige Zyklus basiert auf >>Gedichten aus den hinterlassen Papieren eines reisenden Waldhornisten<<. Verfasser ist der Dessauer Bibliothekar und Hofrat Wilhelm Müller, Wie Schubert und Büchner einer der vielen Frühvollendeten dieser Epoche.
[...]
>>Schober sagte, es habe ihm nur ein Lied, Der Lindenbaum, gefallen. Schubert sprach hierauf nur: >Mir gefallen diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen< << (Joseph von Spaun). Er sollte Recht behalten, die Winterreise gilt heute unbestritten als Opus magnum der Gattung Kunstlied. Darum lässt sich an diesem Werk besonders anschaulich demonstrieren, wie diffizil es sein kann, einen Liederzyklus angemessen aufzuführen. Jedes der Stücke gleicht einer meisterhaft gearbeiteten, in sich geschlossenen Miniatur. Es verbinden sich weder Leitmotive noch Zwischenspiele, auch ein harmonisches Schema wird man vergeblich suchen.
[...]
Ich habe die Winterreise 1998 begleitet von Charles Spencer für BMG eingesungen. Wenn ich die Aufnahme heute analysiere und überlege, ob sich meine Interpretation im Lauf der Zeit grundlegend verändert hat, muss ich sagen: nein. Trotzdem klingt der Zyklus immer wieder anders und mit den Jahren, wie ich hoffe, immer gehaltvoller. Weil man ein bißchen reifer und weiser geworden ist, Erfahrungen bereichert hat, weil ein paar alte Kratzer vernarbt sind, andere immernoch schmerzen.
[...]
Meine Stimme besitzt neben genetisch bedingten Eigenschaften wie Umfang und Kraft eine samtige Grundierung, an der ich hart gearbeitet habe. Weil die mir eine dezente, im Jazz würde man sagen >>coole<<, und zugleich höchst geschmeidige Phrasierung ermöglicht. Darum denke ich, wann immer ich ein neues Lied einstudiere, zuerst darüber nach, welche Klangfarben ich benutzen kann, um die Komposition am besten zur Geltung zu bringen, ohne meinen Gesangsstil, meinen ganz persönlichen Sound, zu verbiegen."(aus "Die Stimme" von Thomas Quasthoff)

Ich habe beide gleichzeitig kennengelernt, den Thomas Quasthoff und die Winterreise, da war ich 16. Und ich habe weder meinen Augen noch meinen Ohren getraut. Dass die Winterreise unumstritten ein grandioses Stück Musikgeschichte ist, brauche ich nach vorherigem Zitat wohl nicht mehr näher ausführen.

Thomas Quasthoff ist sehr klein und seine Arme sehr kurz, er ist ein sogenanntes "Contergankind", weshalb man ihn zuerst auch nicht studieren lassen wollte. Ohne die Fähigkeit Klavierzuspielen, was aufgrund seiner Behinderung weitestgehend unmöglich ist, durfte er nicht Gesang studieren. Quasthoff jedoch sagt "Ich lasse mich nicht behindern!". Heute zählt er zur Weltspitze und singt als sei er fünf Meter groß. Seine unheimlich voluminöse Stimme, die derart warm und herzlich sofort packt und tief berührt, machen ihn zum besten Bariton den ich je gehört habe.

quasthoff"

Heute habe ich meinen klassischen Tag, habe die ganze Winterreise gehört und einige von ihm interpretierte Mozart Arien. Dabei war natürlich "In diesen heil'gen Hallen" aus der Zauberflöte (mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn unter Leitung von Jörg Faerber), in das ich mich immer wieder neu verliebe und das Quasthoff so großartig interpretiert, dass ich grade in den Tiefen weinen könnte.

Und da ich nicht aufhören kann, wenn ich mich einmal reingesteigert habe, musste ich auch Bach und Bartok hören. Vor allem Bartok, den mag ich wirklich sehr. Und wer kommt da eher in Frage als Nigel Kennedy? Richtig! Niemand!

Kennedy habe ich mal live gesehen, da war ich (glaub ich) 14. Da saß ich also in Mitten der pelztragenden High Society Magdeburgs und starrte ungläubig auf meine 120-Mark-Karte. Bach wollte er spielen und Bela Bartok, dieser Kennedy.
Er kam auf die Bühne; mit einem hochgekrempelten Hosenbein, einem ungestylten Iro, einem roten und einem grünen Schuh, einem Tuch um die Hüften und einem weißen Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Die folgenden zwei Stunden waren Millionen von Mark wert.
Seither liebe ich Bartok.
Und Kennedy auch.

Jetzt werd ich mir die Kafka-Platte von Kennedy reinziehen, die ist irgendwie freaky, mit verstärkter Geige, Gitarren, Bass und Schlagzeug, aber eben kein Pseudo-Klassik-Rock, sondern so richtig echter.
kennedy

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